Zweckbestimmung und bestimmungsgemäße Verwendung – ein gutes Team!


Im letzten Blogbeitrag haben wir die Zweckbestimmung und die bestimmungsgemäße Verwendung betrachtet. Diesmal möchte ich Ihnen zeigen, dass eine im interdisziplinären Team ausgearbeitete, „erweiterte“ Zweckbestimmung für unser Projekt großen Wert hat – und das ganz unabhängig von der Vorgabe durch die Normen.

Probleme lösen – Produkte entwickeln

Produkte bieten den Nutzern Lösungen, heißt es immer wieder. Doch wenn wir eine Lösung anbieten wollen, dann müssen wir zuerst das Problem dahinter kennen. Und es natürlich auch möglichst gut verstehen.

Meist entwickeln wir Dinge, die Menschen helfen sollen. Sie möchten z. B. ihre Aufgaben besser, schneller oder günstiger erledigen können. Wollen wir ein solches Produkt entwickeln, dann sollten wir die Menschen, ihre Arbeitsumgebung und ihre Aufgaben kennen – und zwar möglichst gut!

Um die Bedürfnisse unserer Anwender und Kunden zu verstehen, benötigen wir Wissen. Wissen, das wir nur zusammen mit den jeweiligen Experten ermitteln können. Das heißt: Wir müssen die richtigen Leute einbeziehen, um tolle Lösungsideen zu entwickeln.

Kunden, Anwender und Patienten

Wenn wir mit dieser Idee aufkreuzen, kommt meist folgender Vorschlag:

„Dann fragen wir einfach unsere Kunden. Die sagen uns, was sie brauchen.“

Doch die Antworten sind oft ernüchternd: „Bessere Preise, schnellere Lieferung.“ Gut der Mitarbeiter im Einkauf war wohl nicht der richtige Ansprechpartner. Er hat ganz andere Interessen und kennt die Erfordernisse unserer Anwender auch nur aus zweiter oder dritter Hand.

Fragen wir also die Anwender: „Was braucht ihr?“ Dann hören wir oft Frustrierendes: „Uns stört die lange Ladezeit bei den 3-D-Bildern.“ Manchmal: „Ich habe eine tolle Idee …“. Oder das Ultimative: „Warum geht das alles nicht viel einfacher?“ Die Anwender orientieren sich an dem, was sie kennen und vor sich haben. Ihre Aussagen sind wertvolle Informationen für mögliche Verbesserungen.

Deshalb ist es so wichtig, von Anfang an die richtigen Leute in die Entwicklung unserer Lösungen einzubeziehen: Unsere Anwender verraten uns ihre Arbeitsweise. Damit arbeiten sie an der Lösungsidee mit. Ein Teil der erarbeiteten Lösung stammt dadurch auch von ihnen. Sie sehen unsere Ideen und geben uns direktes Feedback. So verstehen wir ihre Sorgen und Nöte besser und können innovative Vorschläge machen.

Speziell bei Medizinprodukten sind neben Anwendern auch die Patienten eine wichtige Informationsquelle. Damit haben wir die konkrete Chance, uns in ihre Situation einzufühlen. Je besser wir das können, desto besser erkennen wir die wirklichen Probleme, die es zu lösen gilt.

Interdisziplinäres Arbeiten

Um erfolgreiche Lösungen zu erarbeiten, ist es bekanntermaßen von großem Vorteil, die wichtigsten Interessengruppen einzubeziehen – neudeutsch „Stakeholder“. Daher binden viele moderne Entwicklungsansätze die Stakeholder direkt in die Entwicklung ein. Dazu gehören:

  • Kunden
  • Patienten
  • Produktmanager
  • Entwickler
  • Servicetechniker

Eine unserer Aufgaben besteht darin, diese Stakeholder ausfindig zu machen und in die Erarbeitung der bestmöglichen Lösung einzubeziehen.

Gerade auch bei der Definition der Produkte ist die Einbeziehung wichtiger Stakeholder fundamental. Leider passiert das meiner Beobachtung nach noch zu selten. Natürlich sind Stakeholder auch im Lauf der Entwicklung als Feedback-Quelle von hohem Wert. In diesem Zusammenhang wirken sie sozusagen als Resonanzboden unserer Entwicklungsergebnisse: Sie verstärken Sinnvolles und beseitigen Überflüssiges.

Doch gerade, wenn wir ein Produkt definieren, ist es von besonderer Bedeutung, eine Balance zu finden: zwischen Geschäft, Nutzern, Technik, Betrieb und Service. Diese zu erreichen ist nicht leicht. Dazu müssen wir viele Fragen beantworten:

  • Welchen Wert besitzt unsere Lösung auf dem Markt?
  • Welchen Nutzen bietet sie unseren Kunden und Anwendern?
  • Welche Erfordernisse der Patienten und Nutzer muss unser Produkt erfüllen?
  • Welche Projekt- und Produktrisiken gibt es?

Außerdem müssen wir die Rahmenbedingungen beachten. Das heißt: Was können wir bei diesen Voraussetzungen technisch überhaupt umsetzen? Und weiter: Was kann bei der Umsetzung noch Schwierigkeiten verursachen?

Alle diese Fragen lassen sich am besten gemeinsam ermitteln. Die unterschiedlichen Hintergründe und Blickwinkel der Stakeholder bringen uns dabei schneller ans Ziel: Durch die Zusammenarbeit haben wir die Fragen schnell beantwortet und ein gemeinsames Verständnis aufgebaut. Immerhin bestimmen die Antworten die Eckpunkte für unser Projekt: das verfügbare Budget, den Zeitrahmen, die Anforderungen an die Qualität und den Umfang unserer Lösungen.

Und noch einmal Zweckbestimmung

Und genau hier kommen die Zweckbestimmung und die bestimmungsgemäße Verwendung ins Spiel. Um sie zu beschreiben, benötigen wir Wissen über:

  • den Nutzen unserer Lösung,
  • unsere Anwender, ihre Ausbildung, ihre Besonderheiten und Erfordernisse,
  • die Patienten, ihre Situation und ihre Bedürfnisse,
  • die Anwendungsumgebung und die Bedingungen die dort herrschen,
  • die Arbeitsschritte, die unsere Lösung unterstützt oder selbstständig durchführt,
  • das Zubehör, das wir für die Durchführung der Arbeitsschritte nutzen,
  • das grundlegende technische Prinzip unserer Lösung.

Das sind genau unsere oben genannten Fragen. Damit grenzen wir unser Produkt sauber ab: Was macht es aus? Wo darf es angewendet werden? Und wo nicht? Wir benennen die Einsatzumgebung und ihre Bedingungen. Und wir beschreiben die Anwender und die grundlegenden Erfordernisse.

Sie sehen: Zweckbestimmung und bestimmungsgemäße Verwendung sind kein regulatorischer Wasserkopf. Nein, sie sind ein sinnvoller Schritt auf dem Weg zu erfolgreichen und sicheren Lösungen.

Daher möchte ich Ihnen im nächsten Blogartikel eine Methode vorstellen, wie Sie Zweckbestimmung und bestimmungsgemäße Verwendung gemeinsam mit Ihren Stakeholdern ermitteln können.

Photo by Pascal Swier on Unsplash

Der Zweckbestimmungs-Canvas
Medizinprodukte entwickeln - die Zweckbestimmung
Über den Autor

Thomas Kammerer ist Softwarearchitekt und Berater bei imarqio in Nürnberg. Schon früh begeisterte er sich für die Programmierung von Systemen, vor allem für strukturelle Lösungsideen. Seit über 25 Jahren entwickelt er nun Systeme für die Mess- und Medizintechnik. Er war als Softwareentwickler, Softwarearchitekt, Trainer und Berater, Team-, Entwicklungsleiter und als CTO tätig. Dabei hat er sowohl technische und methodische als auch organisatorische Fallstricke erlebt – und manchmal sogar gemeistert.

Als Spezialist für die Entwicklung medizinischer Software hat Thomas Kammerer viele Projekte im sicherheitsrelevanten und regulatorischen Umfeld unterstützt. An der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm ist er Lehrbeauftragter für die Themen Software-Engineering und Objektorientierte Programmierung.

Thomas Kammerer freut sich darauf, mit Ihnen Lösungen zu erarbeiten und seine Erfahrungen mit Ihnen zu teilen.

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